Balancieren von Bedürfnissen: Menstruationsurlaub und alternative Lösungen in Organisationen

16. Januar 2024 | Belinda Renner, Dipl. Resilienztrainerin CZO i.A. & Gründerin und Inhaberin von «Der Frauenkosmos», HR-Fachperson & Fachperson BGM bei Fastenaktion

Die Menstruation, ein natürlicher Teil des Lebens von uns Frauen, bleibt in vielen Organisationen ein Thema, das oft noch im Verborgenen bleibt. Wir Frauen haben häufig Hemmungen, unsere Beschwerden offen zu teilen, aus Angst vor möglichen Nachteilen in unserem beruflichen Umfeld. Dieses Tabu hindert uns daran, offene Gespräche über ein Thema zu führen, das für die Mehrheit der Bevölkerung relevant ist.

Die Einführung von speziellen Menstruationsurlauben mag gut gemeint sein. Doch weder die Menstruation noch die Mutterschaft haben etwas mit Urlaub zu tun. Die Verwendung des Begriffs ‚Urlaub‘ in diesem Zusammenhang zeugt von einem tiefen Unverständnis für die erstaunlichen Leistungen des weiblichen Körpers und insbesondere für das Potenzial der Frauen. Dies wird zusätzlich durch die geschlechtsspezifische Prägung der westlichen Medizin verstärkt, die Frauen oft benachteiligt. Zudem würde ein solcher Urlaub die ohnehin schon bestehenden Stereotypen und Vorurteile verstärken, indem manche Frauen als weniger belastbar oder leistungsfähig wahrgenommen werden.

Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Furcht vor Stigmatisierung offen über ihre gesundheitlichen Bedenken sprechen können. Fortschrittliche Unternehmen rekrutieren keine Roboter, sondern Menschen, und das aus gutem Grund. Menschen bringen ihre individuellen Fähigkeiten ein und können sich entfalten, unabhängig von ihrem Geschlecht, was zu vielfältigen Ergebnissen führt, in allen Berufen.

Entscheidend ist, dass wir als Gesellschaft anerkennen, dass die Auswirkungen der Menstruation individuell variieren. Neben organisatorischen Massnahmen wie flexiblen Arbeitszeitmodellen sehe ich es deswegen als enorm wichtig an, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Leistungsdruck und Perfektionismus abkommen können. Unternehmen sollten die Botschaft vermitteln, dass sie die Bedürfnisse ihrer Belegschaft respektieren, insbesondere in den Phasen, in denen jemand aufgrund menstrueller Zyklusveränderungen oder sonstiger gesundheitlicher Einschränkungen möglicherweise weniger leistungsfähig ist. Ein offener Dialog und ein Verständnis für individuelle Gesundheitsaspekte tragen massgeblich zu einer inklusiveren und mitfühlenderen Arbeitsumgebung bei. Dies ist nicht nur für Frauen, sondern auch für alle Mitarbeitenden von Vorteil, die mit gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert sind.

Ich erachte es ausserdem als wichtig, den weiblichen Zyklus in einen umfassenden Arbeitskontext zu stellen, da er verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten bietet. Kluge Unternehmen berücksichtigen dies und fördern das Potenzial ihrer Mitarbeiterinnen. Sie erkennen, dass sich die Auseinandersetzung mit zyklusorientiertem Arbeiten lohnt, da sie es auch für das Unternehmen zielführend einsetzen können. Sie fördern das volle Potenzial ihrer Mitarbeitenden – auch indem sie wertvolle Zeit für Regeneration nutzen, was eine Bereicherung für die ganze Unternehmung ist.

Der Weg zu einer sensibleren Arbeitskultur besteht darin, Vorurteile abzubauen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Offenheit und Akzeptanz im Vordergrund stehen. Ein bewussterer Umgang mit den natürlichen biologischen Vorgängen im weiblichen Körper, welchen auch den Zustand während und nach der (Peri-) Menopause miteinschliesst, ist ein Schritt in diese Richtung. Dabei sollten Organisationen nicht nur auf individueller Ebene unterstützen, sondern auch darauf hinarbeiten, gesellschaftliche Ansichten zu ändern und Vorurteile abzubauen.

Eine unterstützende Haltung in allen gesundheitlichen Belangen, wirkt sich positiv auf die Arbeitgebermarke, die Mitarbeitergewinnung und das Unternehmensimage aus. Organisationen, die das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden respektieren und sich offen mit dem Thema Menstruationszyklus auseinandersetzen, ziehen Talente an und schaffen ein positives Arbeitsumfeld, das langfristig zum Erfolg des Unternehmens beiträgt.

Die Reise zur Anerkennung und zum Respekt der Bedürfnisse von Frauen während und auch nach ihrer Menstruation ist noch nicht abgeschlossen, aber ich bin davon überzeugt, dass wir mit einem offenen und respektvollen Dialog als Gesellschaft Fortschritte erzielen und eine Arbeitsumgebung schaffen können, in der sich Frauen nicht nur anerkannt, sondern auch unterstützt fühlen. Dies ist schlussendlich gewinnbringend für alle.